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Typ-1-Diabetes: Fr1da Studie zeigt milderen Start in die Erkrankung durch Früherkennung

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Häufig wird Typ-1-Diabetes erst nach dem Auftreten schwerwiegender Symptome entdeckt, weshalb die Diagnose für Familien mit großen Belastungen verbunden sein kann. In Deutschland haben mehr als 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen bei Diagnosestellung eine diabetische Ketoazidose (DKA) - eine akute Komplikation, die lebensbedrohlich sein kann und mit einem erhöhten Risiko für diabetische Folgeerkrankungen und kognitiven Beeinträchtigungen einhergeht. Hingegen wiesen in der Fr1da-Studie nur 2,5 Prozent der Kinder, bei denen im Rahmen des Früherkennungs-Screenings ein Frühstadium Typ-1-Diabetes diagnostiziert wurde, eine DKA zu Beginn der Stoffwechselerkrankung auf. Die neuen Ergebnisse der Forschenden von Helmholtz Munich unterstreichen die Vorteile eines bevölkerungsbasierten Screenings zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes.

Die Diagnose der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes vor dem Auftreten von Symptomen verbessert das klinische Bild bei Ausbruch der Stoffwechselerkrankung

 

Typ-1-Diabetes (T1D) wird durch eine Autoimmunreaktion gegen die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse ausgelöst. In der Folge können Betroffene selbst kein Insulin mehr herstellen und haben einen gestörten Blutzuckerstoffwechsel. In den meisten Fällen wird T1D erst erkannt, wenn typische Symptome auftreten. Der zugrunde liegende Autoimmunprozess beginnt jedoch bereits Monate bis Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome. T1D wird daher in 3 Stadien eingeteilt: In Stadium 1 sind mehrere verschiedene T1D-assoziierte Autoantikörper im Blut nachweisbar. In Stadium 2 ist zusätzlich zu nachweisbaren Autoantikörpern auch der Blutzuckerstoffwechsel gestört. Stadium 3 bezeichnet den klinischen Beginn von T1D: erst jetzt treten typische Symptome auf, ausgelöst durch einen fortgeschrittenen Insulinmangel und stark erhöhte Blutzuckerwerte. Um Kinder mit T1D in einem präsymptomatischen Stadium zu erkennen, haben Forschende des Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung die Fr1da-Studie gestartet. Seit 2015 wurden im Rahmen der bevölkerungsbasierten Studie über 180 000 Kinder auf T1D-assoziierte Autoantikörper untersucht.

In einer neuen Veröffentlichung analysierten die Forschenden Daten von 128 Kindern zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation (Stadium 3), die zuvor eine Diagnose für T1D im Frühstadium erhalten hatten. Diese verglichen sie mit Daten von 736 Kindern, die im Rahmen der DiMelli-Studie ohne vorherige Früherkennung mit T1D diagnostiziert wurden. Der Vergleich zeigte eindeutige klinische Vorteile für Kinder, die ihre Diagnose bereits im Frühstadium (Stadium 1 oder 2) erhalten haben. „Kinder mit einer Diagnose im Frühstadium wiesen signifikant niedrigere HbA1c-Werte, niedrigere Nüchternglukosewerte und höhere C-Peptid-Werte bei klinischer Manifestation auf“, sagt Prof. Dr. Sandra Hummel, Erstautorin der Studie. Während niedrigere HbA1c-Werte auf eine verbesserte langfristige Blutzuckereinstellung hinweisen, sind C-Peptid-Werte ein Marker für die Restfunktion der insulinproduzierenden Betazellen. Beide Parameter sind mit einem verringerten Risiko für sekundäre Komplikationen von T1D verbunden. „Bemerkenswert ist auch das geringe Auftreten einer diabetischen Ketoazidose: Nur 2,5 Prozent der Kinder, bei denen im Rahmen des Fr1da-Screenings ein Frühstadium diagnostiziert wurde, hatten zum Zeitpunkt der klinischen Manifestation eine DKA“, betont Hummel.

Die Ergebnisse bestätigen, was zuvor bei Personen mit familiärem oder genetischem Risiko für T1D beobachtet wurde. „Wenn T1D im Rahmen eines bevölkerungsbasierten Screenings diagnostiziert wird, bevor Symptome auftreten, können wir schwere Komplikationen zum Start der Stoffwechselerkrankung verhindern. Die Kinder haben dann ein geringeres Risiko für Folgeerkrankungen später im Leben“, sagt Prof. Dr. Peter Achenbach, Letztautor der Studie. Die Forschenden betonen die Bedeutung ihrer Ergebnisse für die Debatte um ein Inselautoantikörperscreening bei Kindern auf Bevölkerungsebene.

Die Fr1da-Studie wird in Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Hamburg für Kinder im Alter von 2 bis 10 Jahren angeboten. Darüber hinaus können auch Kinder aus anderen Bundesländern mit familiärem Hintergrund teilnehmen. Mehr Informationen unter www.fr1da.de.

 

Über die Wissenschaftler:innen

 

Prof. Dr. Sandra Hummel ist leitende Wissenschaftlerin des Forschungsbereichs Lifestyle, Übergewicht und epigenetische Prägung bei Typ-1-Diabetes und Gestationsdiabetes am Institut für Diabetesforschung. Prof. Dr. Peter Achenbach ist stellvertretender Direktor des Instituts für Diabetesforschung und leitet den Forschungsbereich Studienzentrum für Diabetes bei Kindern – Klinische Studien zur Prävention und Immunintervention.

Originalpublikation
Hummel et al. (2023): Children diagnosed with presymptomatic type 1 diabetes through public health screening have milder diabetes at clinical manifestation. Diabetologia. DOI: 10.1007/s00125-023-05953-0

Portrait Peter Achenbach

Prof. Dr. med. Peter Achenbach

Stellvertretender Institutsdirektor, Leitender Wissenschaftler Forschungsbereich: Studienzentrum für Diabetes bei Kindern - Klinische Studien zur Prävention und Immunintervention
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Prof. Dr. oec. troph. Sandra Hummel

Leitende Wissenschaftlerin Forschungsbereich: Lifestyle, Übergewicht und epigenetische Prägung bei Typ-1- und Gestationsdiabetes
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Univ.-Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler

Institutsdirektorin, Lehrstuhl für Diabetes und Gestationsdiabetes, Klinikum rechts der Isar und Technische Universität München, Direktorin Globale Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD)