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[Translate to German:] Pulmonary capillary network in human precision cut lung slices (hPCLS)
Helmholtz Munich | Lin Yang

Therapien für Lungenkrankheiten schneller entwickeln: Neue Erkenntnisse aus der Einzelzellgenomik

New Research Findings, Environmental Health, LHI,

Warum erkranken unsere Lungen und wie können wir mit Medikamenten gezielter an bestimmten Signalwegen der Zellen ansetzen? Um diese Fragen zu beantworten, sammeln Forschende um Prof. Herbert Schiller und Dr. Gerald Burgstaller von Helmholtz Munich spezielle molekulare Informationen aus Patientenproben und kombinieren diese mit Experimenten im Labor. Dabei gelang es ihnen mit Hilfe einer neuen Kombination aus Methoden, bestimmte Mechanismen direkt im menschlichen Lungengewebe zu untersuchen. So können neue Medikamente und Therapien schneller entwickelt werden. Die Studie ist nun in Science Translational Medicine veröffentlicht.

Die Entwicklung von Therapien für Lungenkrankheiten ist kompliziert. Die meisten klinischen Studien, in denen neue Wirkstoffe getestet werden, scheitern daran, dass Labormodelle die menschliche Physiologie nicht genau nachbilden können. Derzeit werden spezifische molekulare Signalwege oft unter hochgradig künstlichen Bedingungen nachgebildet, wobei nur ein oder zwei verschiedene Zelltypen im Labor zum Einsatz kommen. Solche vereinfachten Systeme bilden das komplexe Gewebe der Lunge nicht vollständig nach, so dass Labormodelle therapeutisch relevante Signalwege zwischen den Zellen nur unzureichend wiedergeben.

Innovation in der präklinischen Wirkstoffentwicklung: Organähnliches Modellsystem für die Lungenforschung

Schnitte von Lungengewebeproben, sogenannte „hPCLS“ (engl. human precision-cut lung slices), sind ein neues vielversprechendes Werkzeug in der Lungenforschung. Gemeint sind damit dünn geschnittene Stücke von Lungengewebsproben. Um hPCLS herzustellen, arbeiten die Wissenschaftler:innen bei Helmholtz Munich mit menschlichem Lungengewebe, das von Patient:innen stammt, die wegen ihrer Lungenerkrankung operiert wurden. Das Gewebe wird in dünne Scheiben geschnitten, die die Forschenden im Labor „am Leben“ erhalten. hPCLS haben den einzigartigen Vorteil, dass sie die gesamte zelluläre Vielfalt und die ursprüngliche dreidimensionale Struktur der Lunge beibehalten.

Das Team um Prof. Herbert Schiller und Dr. Gerald Burgstaller hat nun diese hPLCS umfangreich analysiert und damit einen signifikanten Fortschritt für die Verwendung dieses Modells erzielt. Mit Hilfe der Einzelzellgenomik untersuchten die Wissenschaftler:innen, wie sich einzelne Zellen in den hPCLS nach bestimmten experimentellen und therapeutischen Behandlungen verhielten, und analysierten die Genaktivität dieser Zellen.

Wie wirksam sind Therapien: hPCLS liefern neue Erkenntnisse

Das Team nutzte die neuen Erkenntnisse über hPCLS, um zu verstehen, wie krankheitsspezifische Zellaktivitäten, die bei Lungenfibrose-Patient:innen auftreten, im hPCLS-Modellsystem ausgelöst werden können und wie diese krankheitsspezifischen zellulären Zustände durch verschiedene antifibrotische Medikamente beeinflusst werden. Mit computergestützten Verfahren integrierten die Wissenschaftler:innen in ihr Modell Einzelzelldaten aus mehreren Kohorten und verwendeten auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Transfer-Learning-Ansätze. So versuchten sie zu verstehen, wie sich Zellzustände, die durch die Behandlung mit Zytokinen und Medikamenten im hPCLS-Modell ausgelöst wurden, mit dem Human Lung Cell Atlas (HLCA) vergleichen lassen. Der HLCA ist eine umfassende Referenzkarte, die die Charakteristika aller Zelltypen in der menschlichen Lunge – im gesunden und im kranken Zustand – detailliert darstellt und Anfang dieses Jahres von Helmholtz Munich Wissenschaftler:innn und internationalen Partnern veröffentlicht wurde.

Was die neuen Methoden und Erkenntnisse aus dieser Studie zeigen, ist, wie gut sich hPCLS für die Analyse der Funktionalität von gesundem und erkranktem Gewebe und dessen Regeneration eignen. Prof. Herbert Schiller kommentiert die aktuellen Vorhaben seines Teams: „Wir arbeiten jetzt daran, unsere hPCLS-Experimente in großem Maßstab durchzuführen, damit wir mehr über das Verhalten des Lungengewebes bei Gesundheit und Krankheit erfahren. Unser Ziel ist es, ein experimentelles Modell für Wirkstofftests direkt im menschlichen Lungengewebe zu entwickeln.“ Letztendlich haben diese Bemühungen der Helmholtz Munich Wissenschaftler:innen das Potenzial, die Entwicklung neuer Therapien erheblich zu beschleunigen.

 

Originalpublikation

Lang N., Schniering J. et al. (2023): Ex vivo tissue perturbations coupled to single cell RNA-seq reveal multi-lineage cell circuit dynamics in human lung fibrogenesis. Science Translational Medicine. DOI: 10.1126/scitranslmed.adh0908

 

Über die Wissenschaftler

Prof. Dr. Herbert Schiller, Gruppenleiter am Institut für Lungengesundheit und Immunität bei Helmholtz Munich.

Dr. Gerald Burgstaller, Gruppenleiter am Institut für Lungengesundheit und Immunität bei Helmholtz Munich.

 

Weitere Informationen

Mehr erfahren über den „Human Lung Cell Atlas“ als Teil des „Human Cell Atlas“.

 

Pulmonales Kapillarnetz in humanen Lungengewebeproben (hPCLS)

Durch Immunfluoreszenz sichtbar gemachte Blutgefäße (pulmonales Kapillarnetz) in humanen Lungengewebeproben (hPCLS) in Violett mit Zellkernen in Cyan. 

Porträt Herbert Schiller

Dr. Herbert Schiller

Team Leader

Dr. rer. nat. Gerald Burgstaller

Team Leader